Hohe Tatra

Bergsteigerreise zu den höchsten Gipfeln der Slowakei vom 9. bis 15. September 2018

Sonntag, 09.09.2018
Holger Heitmann:
Das fängt ja gut an!

Den ersten Wecker habe ich zwar gestellt, aber nicht angestellt! So weckt mich der zweite Wecker um 06:15 Uhr, und das reicht auch noch.
Alle sind pünktlich am Bahnhof! (Foto 1)
Ich habe nun auch noch mein Mobiltelefon zu Hause vergessen, und so nehme ich das von Barbara, meiner Frau, mit, was in der kommenden Woche für manche Verwirrung Anlass gibt!
Wenn der Tag schon so beginnt, dann kann er nur gut werden?!  ;-))
Der Zug fährt auf die Minute pünktlich ab, ist aber (natürlich!) 10 Minuten zu spät in Hamburg.
Macht nichts – Zeit genug!
Auf zwei unterschiedlichen Wegen erreicht die Gruppe die S-Bahn zum Airport.
Das Einchecken ist problemlos, und so haben wir Zeit, die wir uns im Dutyfree-Bereich vertreiben.
Entspannung!
20 Minuten nach der angegeben Zeit erreichen wir München Airport, und ein junger Mann gibt uns einen „direct transfer“ d. h. er läuft, ein Schild mit „LH 1624-Krakow-K22“ hochhaltend, vor uns her, und so erreichen wir als letzte, aber pünktlich, den Anschluss.
In Krakau erwarten uns Milan und sein Kollege. Mit einem Kleinbus und einem PKW fahren sie uns in zwei Stunden sehr sportlich rasant in unser „Hotel Villa Siesta“ in Vysoké Tatry.
Unser Bergführer für die Woche, Juraj, erwartet uns, bespricht mit uns das Programm, und alle gehen nach dem 4-Gänge-Abendessen bald schlafen.

Montag, 10.09.2018
Manfred Bühring: Kriván – der Slowakische Nationalberg

Am frühen Morgen begann die eigentliche Bergsteigerreise mit der Besteigung des Kriván, dem 2.494 m hohen Nationalsymbol der Slowakei. Der Kriván steht für viele Mythen. Seit 1955 finden alljährlich Wanderungen auf den Kriván statt, die dem Slowakischen Nationalaufstand 1944 gegen den Nationalsozialismus gewidmet sind.
Wir fuhren um 07.00 Uhr mit der schmalspurigen Tatrabahn zu unserem Ausgangsort Strbské Pleso in 1.346 m Höhe, dem Austragungsort hochklassiger Wintersportereignisse wie der Nordischen Skiweltmeisterschaft 1970 bis hin zur Nordischen Winter-Universiade 2015. Der phantastische Blick über die Niedere Tatra machte die Zugfahrt schon zu einem Ereignis.
Von der Endstation führte der Weg dann direkt am 5-Sterne-Hotel Kempinski und am wunderschönen Bergsee Strbské pleso (2009 als Naturwunder in der Slowakei nominiert) (Foto 2) vorbei. Der lange und leicht ansteigende, breit angelegte Weg bis zum Beginn des eigentlichen Anstiegs war gut geeignet, die von der Anreise noch müden Knochen und Muskeln auf die kommenden Tage vorzubereiten.
Der steile Aufstieg, erst im schattigen Kiefernwäldchen, dann über freie Flächen, sollte nur ein Vorgeschmack auf die kommenden „steinigen“ Tage sein (Foto 3). Schon auf halber Höhe waren wir nicht nur vom aufkommenden Nebel durchnässt (Foto 4). Der Tourenuntertitel „Bergsteigerreise“ wurde uns in seiner tatsächlichen Bedeutung klar.
Der Schlussanstieg auf den Gipfel war eine echte mentale und körperliche Herausforderung. Steine, veralgte und bemooste Granitplatten, unendlich viele ausgetretene Quer-, Längs-, Steil-  und Abkürzungspfade, schlechte Sicht, von oben und unten an uns vorbeispringende junge Leute, viele mit bunten, körperbetonenden Leggins, erschwerten die Orientierung erheblich. Gut, dass wir mit Juraj einen erfahrenen Bergführer hatten. Von uns elf Gestarteten erreichten dann nach einem sehr strapaziösen Aufstieg immerhin sieben den Gipfel (Foto 5). Den grandiosen Blick in Richtung Polen konnten wir aber nur kurz geniessen; dann umhüllte uns wieder dichter Nebel.
War der Aufstieg schon kräftezehrend, so war der Abstieg eine echte Herausforderung. Es hieß durchhalten und immer das Ziel vor Augen, das Belohnungsbier in unserem Hotel, das wir letztlich nach fast 12 Stunden und ca. 18 km auch alle unbeschadet genießen konnten. Getreu dem Grundsatz, „Freude darf man sich erst nach dem erfolgreichen Abstieg gönnen“, ging für uns erschöpft aber erfüllt ein phantastischer erster Tag zu Ende.

Dienstag, 11.09.2018
Christian Rahf: Koprovsky Stit

Nach einer ruhigen Nacht und einem guten Frühstück geht es um 08:00 Uhr mit der Schmalspurbahn von Vysoke nach Popradske pleso zum Startpunkt der 2. Tageswanderung (1 Stunde). Wir machen erst eine kurze Wanderung durch einen Fichtenwald zu einer sehr schön am See gelegenen Berghütte, in der wir die nächste Nacht verbringen werden, dort können wir unseren „Ballast“ zurücklassen und beginnen um 11:00 Uhr mit der eigentlichen Wanderung (Foto 6).
Das erste Teilstück ist identisch mit der Etappe der „Sherpa-Rallye“, die jedes Jahr ausgetragen wird. Nach kurzer Zeit schlägt das Wetter um, es wird feuchter und ungemütlicher. Wir folgen jetzt unserem markierten Weg durch die Latschen unterhalb vom Gipfel Satan, 2421 m, links vorbei am wuderschönen Velke-See mit bis zu 60 m Wassertiefe und erreichen über einen steilen Anstieg den Sattel Koprovske Sedlo. Nun werden die Wanderstöcke eingepackt, und es beginnt die Kletterpartie zum Gipfel Koprovsky Stit, 2323 m, den wir um 14:00 Uhr erreichen (Foto 7).
Nach kurzer Rast und Gipfelfoto begeben wir uns an den strapaziösen Abstieg (3/4 Stunde) mit höchster Konzentration, dann geht es konzentriert weiter, bis wir gegen 16:30 Uhr unser Quartier erreichen.

Mittwoch, 12.09.2018
Johanna Donicht: Querung auf der Roten Magistrale

Nach einjähriger Vorfreude ist heute schon unser dritter Wandertag. Wir verlassen unsere tolle Hütte mit Hotelcharme, Majláthova Chata, an dem wunderschönen Bergsee Popradske pleso und machen uns mit vollem Gepäck auf den Weg zu unserem nächsten Etappenziel (Foto 8). Zunächst besuchen wir eine Gedenkstätte für verunglückte Bergsteiger aus der Slowakei, Tschechei und Polen, begründet 1936 vom Czechoslovak Tourist Club (Foto 9). Wir steigen 500 m steil bergauf und genießen eine atemberaubende Aussicht (Foto 10). Der Weg führt auf der roten Magistrale – er ist extrem steinig und fordert höchste Konzentration – zunächst zu dem wunderschönen Bergsee Batizovska pleso unterhalb des Gerlachmassivs, wo wir uns stärken (Foto 11). Ich genieße es, meine Füße im eiskalten Wasser zu baden.
Nach über sechs Stunden Wandern bei traumhaftem Wetter erreichen wir unser Tagesziel, das Hotel Sliezsky dom (Schlesierhaus), das höchstgelegene Hotel der Slowakei in 1670 m Höhe. Ein köstliches Abendessen rundet einen perfekten Wandertag ab, der mit einem Glas Rotwein am Kamin endet.

Donnerstag, 13.09.2018
Frauke Freynhagen: Gulaty Kopec

Nach köstlichem Frühstück ist die ganze Gruppe von unserem komfortablen Berghotel Sliezky Dom alpin mit unseren zusätzlichen Bergführern Marek, Rudi und Britzko aufgebrochen. Unser Leiter Juraj hatte auf Grund unserer unterschiedlichen Leistungsfähigkeit drei Etappenziele unterschiedlicher Schwierigkeit zur Auswahl gestellt, sodass sich jeder seins aussuchen konnte.
Gemeinsam ging es am See (Velické pleso) entlang die typischen Treppenfelsen hinauf. Das erste Ziel war der Gipfel Gulaty Kopec, 2121 m, das zweite der polnische Sattel, 2200 m, und als anspruchsvollstes der Gipfel Vychodná Vysoká, 2429 m hoch.
Holli, Peter und ich wurden von Juraj (Foto 12) auf den ersten Gipfel gebracht, von dem wir einen traumhaften Blick auf die Gerlachspitze hatten, bevor diese in den Wolken verschwand. Ganz gemütlich mit viel Zeit für die kleinen Dinge sind wir wieder zurück. Beglückt haben wir Bärlapp, Arnika, weiße Küchenschelle und Schwalbenwurzenzian entdeckt (Fotos 13 + 14). Auf dem Rückweg stand eine Gemse wie ein Fotomodell mitten auf dem Weg, Murmeltiere haben wir nur gehört.
Am Nachmittag war sogar noch Zeit, unsere Entdeckungen im schönen Botanikbuch im Hotel nachzuschlagen.
Abgerundet wurde der Tag mit einem üppigen Büfett und netten Gesprächen bei Tisch.

Donnerstag, 13.09.2018
Rosi Gerlich: Polnischer Sattel

Während des wiederum schweißtreibenden Aufstiegs bei strahlendem Sonnenschein (Foto 15 + 16) auf dem Schlesier Weg (erbaut von der Sektion Schlesien im Jahre 1893) hatten wir das große Glück, drei Gemsen zu sehen (Foto 17). Um 10:30 Uhr erreichten wir den Sattel Pol’ský Hrebeň in 2200 m Höhe.
Hier trennten sich die Wege von der Gruppe, die auf den Vychodná Vysoká (Foto 18) ging und von Johanna und mir. Wir zwei machten uns mit Juraj und Marek auf den Abstieg an der Rückseite des Berges zum See Zmrznuté pleso. Marek meinte, der Weg dorthin sei eine „normale Straße“. Zunächst war der Weg zwar steil, aber durchaus normal, dann folgten Holztreppen, und schließlich standen wir an einer senkrechten Felswand mit Kette (Foto 19). Nachdem wir diese überwunden hatten, gelangten wir über unzählige Steine – wie üblich – zum See. Hier herrschte eine traumhafte Stille, höchstens der Ruf eines Vogels war von weitem zu hören. Während der Rast gönnten sich unsere Guides eine Zigarre (Foto 20), und Johanna nutzte die Pause zu einem Fußbad im eisigen Wasser.
Der Rückweg führte wieder über die „normale Straße“ und den bekannten Weg zurück zum Hotel Sliezsky Dom (Schlesier Haus), wo uns wieder ein tolles Büffet mit anschließendem Rotwein am Kamin erwarteten.

Freitag, 14.09.2018
Anke Bühring: Querung nach Hrebienok

Heute moderates Aufstehen.
Bei gutem Wetter und gestärkt von einem vorzüglichen Frühstücksbüffet verlassen wir das Berghotel Sliezsky Dom und wandern ab 09:00 Uhr weiter auf dem Panorama-Wanderweg Richtung Hrebienok. Die Gehzeit ist mit 1,5 Stunden angegeben.
Der Weg weist hier keine großen Höhenunterschiede auf, lässt jedoch einen wunderschönen Blick in die tiefe Tatra zu.
Entgegen unseren sonstigen Gehzeitenverspätungen kommen wir heute genau im Plan an unserem ersten Zwischenstopp, der Zahnradbahnstation, an. Vieles deutet darauf hin, dass wir in diesen wenigen Tagen schon einen enormen Zuwachs unserer Kondition gewonnen haben.
So ließen wir es uns nicht nehmen, einen Kaffee oder ein durstlöschendes alkoholfreies Bier in dem Bergrestaurant einzunehmen, um gestärkt die 2. Etappe zu bewältigen. Drei Wanderer entschieden jedoch, hier den Weg zu beenden und mit der Zahnradbahn ins Tal abzufahren.

Freitag, 14.09.2018
Rosi Gerlich: Hrebienok – Vysoké Tatry

Mit nur noch sechs Personen wanderten wir von Hrebienok (1285 m) zunächst zur Rainerova útulňa (Rainer Hütte, 1301 m), wo uns Juraj einen Schnaps spendierte (Foto 21). Die ursprüngliche Hütte wurde von Ján Juraj Rainer 1863 gebaut, um Wanderern in Notfällen Unterschlupf zu gewähren. Als Rainer starb, verlor die Hütte an Bedeutung. Im Jahr 1998 wurde sie dann als Informationszentrum mit einer kleinen Ausstellung mit Kletter- und Skiausrüstung wiedereröffnet.
Der weitere Weg führte uns durch dichten Wald zur Zamkovské Hütte (1475 m), wo wir eine Imbiss-Pause einlegten (Foto 22). Diese Hütte wurde 1942 vom bekannten Bergsteiger Stefan Zamkovský und seiner Ehefrau Ludmila erbaut. Während des zweiten Weltkriegs gewährten die Eigner politischen Flüchtlingen, Partisanen und jüdischen Familien Unterschlupf. 1948 wurde die Hütte durch die Kommunisten verstaatlicht, Zamkovský als Kapitalist bezeichnet, enteignet und aus der Hohen Tatra verwiesen.
Nun mussten wir uns beeilen, denn für den Nachmittag waren Gewitter und Regen vorhergesagt. Kurz vor Ende des Waldes begegnete uns ein offenbar noch junger Fuchs (Foto 23). Etwa eine Stunde später erreichten wir den Skalnatá pleso (1751 m), von wo wir mit der Seilbahn nach Tatranská Lomnica und mit dem Zug zum Hotel in Vysoké Tatry fahren wollten. Aber: Wegen des Gewitters fuhr die Seilbahn nicht (Foto 24). Nach über einer Stunde vergeblichen Wartens machten wir uns zu Fuß über die sehr steilen Skipisten auf zur Mittelstation, von hier brachte uns eine andere Seilbahn dann nach Tatranská Lomnica, ein Wintersport-Hotspot der Slowakei. Mit einem Taxi und inzwischen strömenden Regens fuhren wir zum Hotel, wo uns nach schneller Dusche das Abschluss-Abendessen erwartete.

Samstag, 15.09.2018
Rosi Gerlich: Heimreise

Den Vormittag nutzten einige für den Einkauf von Mitbringsel für die Liebsten zu Hause. Dann erfolgten der Transfer nach Krakau und das lange Warten auf unser Flugzeug, das nicht kam. Kurzfristig erhielt die Lufthansa einen zusätzlichen Slot und setzte eine Ersatzmaschine ein, die uns zunächst nach München flog, von dort ging es zügig nach Hamburg und schließlich mit der Bahn nach Flensburg, wo wir mit 40 Minuten Verspätung inzwischen nach Mitternacht ankamen.

Eine herrliche Bergsteigerreise war vorbei. Wir haben großartige Berge erlebt, sehr anstrengende Wanderungen gemacht und die Erkenntnis gewonnen: Das ursprüngliche Programm war für unsere Gruppe eine Nummer zu groß. Herzlichen Dank an Holger, der diese Reise für uns organisiert hat.

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